Inhalt dieses Beitrags
Die klassische Ansicht des Märchenschlosses: Schloss Neuschwanstein von der Marienbrücke aus aufgenommen. Aber nicht nur einfach geknipst, sondern als Langzeitbelichtung während der blauen Stunde. Es braucht ein bisschen Glück und widrige Umstände, um so ein Bild auf den Sensor zu bannen.
Wie das Bild von Schloss Neuschwanstein entstand
Die Marienbrücke ist tagsüber normalerweise eine völlig überlaufene Location. Touristen aus aller Welt drängen sich dort, um einen Schnappschuss des Schlosses zu ergattern. Es ist die vielleicht berühmteste Perspektive: Mit den Seitenwänden der Pollachschlucht wirkt das Schloss Neuschwanstein ganz besonders eindrucksvoll. Es ist allerdings bei Weitem nicht die einige schöne, man kann das Schloss Neuschwanstein auch von woanders nett ablichten.
Als ich die Marienbrücke betrat, war die Brücke zwar voll, jedoch nicht gestopft. Der Grund war Corona: Es gab eine Zugangsbeschränkung zur Brücke und eine lange Warteschlange davor. Ein weiterer Grund war, dass der Touristenstrom aus dem Ausland coronabedingt nachgelassen hatte. Als ich die Brücke betrat, war die Ernüchterung jedoch groß: Es war nebelig. Das Schloss setzte sich kaum gegen den Hintergrund ab und die Berge drumherum verschwanden in den Wolken.
Da es noch etwa eine Stunde Zeit bis zum Sonnenuntergang war, wanderte ich weiter bis zum weiter oben gelegenen Aussichtspunkt oberhalb der Marienbrücke.
Von dort bietet sich ein schöner Ausblick auf das Schloss. Ich entschloss mich, dort die untergehende Stunde Sonne und die blaue Stunde abzuwarten.
Die Ernüchterung folgte eine halbe Stunde später, als die Schlossbeleuchtung eingeschaltet wurde. Einer der starken Scheinwerfer stand mit seinem Lichtkegel in direkter Flucht zu meinem Standort. Das führte zu einer heftigen Überstrahlung im Bild. Mir wurde schnell klar: Das Licht und der Blendenstern macht an dieser Stelle keinen Sinn und lenkt zu stark vom Motiv ab. Wenn ich hier weiter machen würde, wäre massive Bildbearbeitung und vermutlich eine Enttäuschung die Folge.
Ich lief einige Meter den Weg nach unten, bis ich von dort einen Blick auf die Marienbrücke hatte. Die Überraschung war groß: Das diesige, neblige Wetter hatte die Menschen scheinbar von hier weg getrieben. Ich sah von oben eine völlig leere Marienbrücke. Ich packte mein Material ein und lief, besser rannte, zurück zur Brücke.
Als ich dort eintraf, traute ich meinen Augen kaum: Kein einziger Mensch befand sich auf der Brücke.
Ich lief in die Mitte und machte ein paar Aufnahmen. Es war schon recht dunkel und mir wurde klar: Aus der Hand bekomme ich das nicht mehr gut gelöst. Also machte ich etwas für diesen Standort vermutlich ungewöhnliches: Ich stellte mein Stativ auf. Zu meinem Glück trieben nun auch einige Nebelschwaden herauf und machten die Lichtstrahlen des Strahlers, der mir noch 20 Minuten zuvor das Leben schwer machte, zu einer eindrucksvollen Lightshow.
Zur Marienbrücke muss man wissen, dass recht schmal ist und sich bei Wind z.B. spürbar bewegt. Dazu kommt, dass sie einen Holzboden besitzt. Jeder Schritt von Gästen führt zu heftigen Erschütterungen. Ich atmete also ein, hielt die Luft an, wartete kurz und löste aus. Dabei hoffte ich, dass die Windstille anhalten würde. Ich hatte Glück: Mit gelangen mehrere scharfe Aufnahmen zwischen 10 und 20 Sekunden Belichtungszeit. Ich war gerade fertig, denn es war irgendwann so dunkel, dass der Himmel auf den Bildern nur noch schwarz aussah, da kamen eine Handvoll Touristen und die Brücke geriet wieder in Bewegung. Ich war nicht mehr allein, aber das war nun egal, ich hatte meine Beute im Gepäck.
Mit Schmetterlingen im Bauch lief ich den steilen, direkten Pfad mit der Stirnlampe auf dem Kopf zurück zum Parkplatz. Ich hatte Bilder mit dem Stativ auf der schwankenden Marienbrücke zur blauen Stunde gemacht. Wie schräg war das denn!
Bildbearbeitung meines Motivs
Ich hatte auf der Brücke in Windeseile versucht, verschieden stark belichtete Bilder auf die Speicherkarte zu bekommen. Schon vor Ort musste ich feststellen, dass 30 Sekunden nicht scharf zu bekommen waren. Aber mit einigen 20-Sekündern waren scharfe Aufnahmen gelungen. Ich legte vier Aufnahmen zwischen 5 und 20 Sekunden Aufnahmedauer in Photoshop übereinander und maskierte die Bereiche zu einem manuellen HDR übereinander.
Anschließend entfernte ich einige störende Bereiche in Vorder- und Hintergrund aus dem Bild. Danach malte ich etwas Licht auf die Baumkronen im Vordergrund, um dort mehr Struktur ins Bild zu bekommen.
Das Resultat übergab ich an Lightroom. Hier bekam das Bild seine Kontrastabstimmung und seinen Farblook. Auch eine leichte Vignette und eine Betonung der Bildmitte durch negativen Strukturwert im Rand und positiven Strukturwert in der Mitte bekam das Bild.
Vorher/nachher-Slider
Equipment
- Kamera: Canon EOS 5D Mark III
- Objektiv: EF 17-40mm f/4 L
- Kameraeinstellung: 2.5, 5, 10 und 20 Sek., ISO 250, manueller Modus
- Objektiveinstellungen: 23 mm bei Blende 5
- Sonstige Hardware: Stativ
- Software: Photoshop & Lightroom Classic
Kommentare
Toll! Vielen Dank für das „mitnehmen“ bei der Bildentstehung.
Ich finde deine Serie hier oft sehr gut, in diesem Fall wirklich anregend! Nicht aufgeben! Kreativ werden und Lösungen suchen! Großen Respekt vor deinem Durchhaltevermögen hier „stundenlang“ zu warten bis dein Bild fertig ist.
Mensch Oli, ein ganz großes Dankeschön für das tolle Lob. Ich habe mich riesig gefreut!